Wie das BKA sich blamiert ...

Ich muss mal meine Meinung zum §42a WaffenG raushauen. Es geht mir einfach auf den Nerv. Also schreibe ich es mir von der Seele.

Der Stein des Anstoßes ist mein kleines Multitool, welches ich immer am Schlüsselbund trug. Es hatte eine Klinge (5cm lang), einen Gurtschneider, Flaschenöffner, Karabinerhaken, etc. pp.. Dabei war es flach und leicht. Einfach toll. Im Fall eines KFZ-Unfalls kann man einen Gurt aufschneiden und eine Scheibe einschlagen. Die Klinge ist perfekt zum Öffnen von Kartons. Super!

Zumindest wäre es super, wenn das Führen dieses Messers nicht mittlerweile illegal wäre. Aua!

Denn es ist ein Einhandmesser und solche dürfen in Deutschland seit der Novelle des Waffengesetzes nicht mehr geführt werden. Ich habe das erst vor Kurzem gelernt. Bis dahin hatte ich das kleine “Spielzeug” an meinem Schlüsselbund. Die Nachricht, dass darauf eine Strafe von bis zu 10.000€ steht (in Worten: zehntausend), hat mich echt umgehauen.

Um es nochmal zu betonen: in Deutschland ist das Führen strafbar. In fast allen anderen europäischen Ländern dürfte ich damit in ein Flugzeug, weil meine Klinge kürzer als 6cm ist.

Was ist nun ein Einhandmesser?

Otto-Normal-Internetbürger greift natürlich sofort zu Wikipedia und wird dort informiert: ein Einhandmesser hat eine Öffnungshilfe in Form eines Pins, Stegs (alias Flipper) oder Lochs um das Messer mit einer Hand öffnen zu können.

Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn im Sinne des Gesetzes ist ein Einhandmesser eben ein “Messer mit einhändig feststellbarer Klinge”. In den Feststellungsbescheiden des BKA zum Thema Messer lernt man dann, dass es da noch andere Möglichkeiten gibt.

Das BKA stellt einen Bescheid zum Messer “Pohl Force Foxtrott Two Out­door” bereit, welches das Problem exemplarisch beschreibt: ist die Klinge leichtgängig auszuklappen und ragt die Klinge weit genug (oder besser zu weit) aus dem Griff heraus, dann kann man das Messer an der Klinge greifen und mit einem Ruck aus dem Handgelenk öffnen und greifen. Damit ist es mit einer Hand geöffnet und arretiert … Einhandmesser. An dieser Feststellung ist einfach alles richtig und die ist nicht wegdiskutierbar.

Und tatsächlich habe ich solche Messer in der Hand gehabt.

Ja? Und?

Mich nervt das Gesetz aus drei Gründen:

  1. kleinst-Einhandmesser wie meines (<6cm) fallen auch unter das Führungsverbot. Bitte macht Euch klar: das trifft z.B. auch auf Trapezmesser aus dem Baumarkt zu. Wer also gerade renoviert und eben in den Baumarkt jettet und dabei das Cuttermesser noch in der Tasche hat … Polizeikontrolle … verloren! Das ist leider den Wenigsten klar. Die Ausnahmen in Absatz 2 zum Thema “berechtigter Zweck” erfassen diese Situation tatsächlich nicht! Das haben Richter schon hinreichend beschieden: die Ausnahmen seien höchst restriktiv zu interpretieren. Warum eigentlich?
  2. das BKA selbst informiert den Bürger nicht hinreichend über die Rechtssituation. Also ich hatte keine Ahnung. Und meine Recherchen beim BKA wurden erst erhellend nachdem ich alle Feststellungsbescheide auf der BKA-Webseite gefilzt hatte. Das ist bestenfalls fahrlässig, da hier der Bürger in einen Rechtskonflikt geschubst wird. Man läßt den geneigten Heimwerker oder nicht-beruflichen-Ersthelfer buchstäblich in die Klinge laufen. BKA … das ist eine Schande … schämt Euch! Selbst freiwillige Feuerwehr ist betroffen, man stelle sich das vor …
  3. der Markt hat nicht auf die Deutsche Situation reagiert. Macht eine Suche bei Amazon oder eBay nach “Rettungsmesser”! 90% der Ergebnisse sind Einhandmesser. Der Rest ist in aller Regel um den Faktor 4 teurer als der Durchschnitt.

Das Informationsfiasko des BKA

Ich sage es direkt … ich glaube das BKA hat meines Erachtens eine Informationspflicht (und sei es nur eine moralische Verpflichtung) und ist dieser in fahrlässiger Weise nicht wirklich nachgekommen. Es gibt da diese Seite. Dort erklärt das BKA die Eigenschaften von Waffen die unter das Führungsverbot nach §42a fallen. Nur … der Aspekt der leichtgängigen breiten Klinge wird gar nicht erwähnt. Zwei explizite Bauformen von Einhandmessern werden nicht gezeigt. Die Seite insgesamt ist so oberflächlich, dass man sie nur als Alibi-Aktion verstehen kann.

Dabei wäre es nicht so schwer gewesen, hier etwas ausführlicher zu sein.

Die Chance, dass jeder zur Wikipedia beitragen kann und dass dort eine umfangreichere Darstellung möglich wäre, hat das BKA dann auch komplett verpennt. Schade! Das hätte nur ein paar Stunden gekostet.

Die Anti-Information

Nun würde man glauben, dass die Menge an Festellungsbescheiden auf der BKA-Seite umfangreich wäre … eher nicht. Warum? Es scheint übliche Praxis geworden zu sein, dass Hersteller von Waffengesetz-freien Zweihandmessern den Bescheid beantragen und dann wegen offensichtlicher Unbedenklichkeit abgelehnt bekommen. Damit ist der Antrag kostenlos. Zur Vermeidung von Bürokratie ist an dieser Praxis nun wirklich gar nichts auszusetzen. Insbesondere, da ein Feststellungsbescheid nach Berichten im Internet um die 500€ und mehr kostet.

Wieso regt mich das dann also auf? Nur die Feststellungsbescheide werden gelistet. Die oben vorgestellten Ablehnungen finden sich … nirgendwo . Dabei wäre die Liste genau dieser Ablehnungen dann die Positiv-Liste von Produkten die man bedenkenlos kaufen und mitführen darf. Durch die Verweigerung oder das Versäumnis, so eine Liste zu führen, massakriert das BKA die Rechtssicherheit des Bürgers. Wieder eine grandiose Chance verpasst, denn um in so eine Liste zu kommen, würden wohl viele Hersteller ihre Messer vorstellen.

Es kommt noch besser. Anscheinend haben auch die Hersteller Bedenken, ihre Bescheide/Ablehnungen zu veröffentlichen. Ich vermute dass es rechtliche Gründe gibt, die dagegen sprechen. Ich bekomme also als Kunde den Bescheid nicht vorab zu sehen und muss auf “Verdacht” kaufen, um dann im Nachgang den Bescheid geschickt zu bekommen. Gigantisch!

Rechtssicherheit … Fehlanzeige

Kommen wir nochmal zurück auf den Markt. Suche ich nach Rettungsmesser auf z.B. Amazon, sind 90% der Erebnisse Einhandmesser. Manchmal wirbt ein Händler mit “Waffengesetz-frei” und einen von der Sorte habe ich dann auch sperren lassen, denn das Messer, welches ich erhielt, fiel unter den vom BKA nicht dokumentierten Spezialfall analog zum Pohl-Foxtrott. Diese definitiv nicht zutreffende Werbung zur Rechtslage um das jeweilige Produkt findet sich bei Amazon haufenweise.

Das kann ein Bürger, der einfach nur eben ein praktisches Rettungsmesser mit Gurtschneider und Glasbrecher für’s Auto will, nicht wissen. Das Vertrauen auf die Aussagen des Verkäufers führt einen dann in den Abgrund. Und die finanziellen Rechtsfolgen sind vermutlich dann auch nicht auf den Verkäufer abwälzbar. dEinen Abschlepper haben seine Rettungsmesser mal 500€ gekostet, plus Anwalt und Verfahren natürlich.

Also … wer ein Rettungsmesser kauft, geht quasi im juristischen Minenfeld, welches Regierung und BKA ausgelegt haben, steptanzen. Super gemacht, Leute!

Wie schwer wäre es dem offensichtlich wenig kompetenten Gremium, welches das Waffengesetz novelliert hat, wohl gefallen, für den Verkauf von Einhandmessern eine Informationspflicht einzuführen. Das wäre mal ein Bereich gewesen, in dem sich dann die Abmahnindustrie als zweckmäßig erwiesen hätte.

Kleinstmesser

Dann gibt es da noch die Formulierung des Gesetzes. Ich provoziere mal. Hier der Gesetzestext:

Messer mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oderd
feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm

Was heisst das nun?

  1. (Einhandmesser oder feststehende Messer) mit einer Klingenlänge über 12cm
  2. Einhandmesser oder (feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12cm)

Klar was ich meine? Ich glaube, dass auch im Rechtsdeutsch die Formulierung so nicht eindeutig ist. Variante 1 wäre m.E. ungleich sinnvoller. Und vielleicht … also nur vielleicht … war es ja mal so gemeint und wurde von Polizei und Richtern überinterpretiert? Mit Variante 1 wären Teppichmesser usw. legal und der allgemeine, gemeine Heimwerker stünde nicht ständig mit einem Bein vor’m Kadi.

Wie Gerichte die Situation weiter anspannen

Es ist vollständig aus der Mode gekommen, Gesetze exakt zu formulieren. Ebenso ist es mit den Ausnahmen aus Absatz 3: Ein berechtigtes Interesse nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 liegt insbesondere vor, wenn das Führen der Gegenstände im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgt, der Brauchtumspflege, dem Sport oder einem allgemein anerkannten Zweck dient.

Irgendwo im Internet gab’s dann diese Story: Ein KFZ-Mechaniker/-Abschlepper wurde wegen 2 Rettungsmessern im Auto verurteilt. Der Richter argumentierte, dass ein Rettungsmesser als solches keinem allgemein anerkannten Zweck diene und dafür gäbe es ja Rettungshämmer. Das nicht genug … danach kam dann in der Urteilsbegründung eine kompliziert hergeleitete Kaskade, die erklären sollte warum eine Ausnahme-Regelung so restriktiv ausgelegt werden müsste, wie er es tat. Also … dieser Richter hat den Absatz 3 effektiv aus dem Gesetz eliminiert. Man wünscht ja niemandem etwas Böses, aber der sollte doch wirklich mal … nur übungsweise … kopfüber in einem zerstörten Fahrzeug sitzen und den Gurt nicht aufbekommen und dann mit der 3mm Klinge in einem “Scheibenhammer” hantieren. Da würde die Zeit sicher sehr lang und unangenehm. Aber wie gesagt, so etwas wünscht man niemandem. Ein Albtraum! Achso … ok … als Albtraum wünsche ich ihm das … jederzeit. Ok, ich bin bösartig ;-).

Also für mich - nach reinem Menschenverstand - ist ein Rettungsmesser und insbesondere ein Einhand-Rettungsmesser auch für nicht-professionelle Ersthelfer ein allgemein anzuerkennender Zweck. Ein KFZ-Abschlepper ist m.E. sogar in der Randzone eines professionellen Ersthelfers. Aber das Gericht hat den Mann verurteilt. In meinen Augen … eine Schande.

Verkehrte Welt

Machen wir uns das klar: ein KFZ Mechaniker darf so ein Messer nicht führen. Letztens habe ich einen Brandbekämpfer der freiwilligen Feuerwehr getroffen, der hatte ein “legales” Zweihandmesser. Echt jetzt? Ein freiwilliger Brandbekämpfer, der oft gegen Sekunden kämpft soll dann mit einem Schlauch in der Hand und einer Druckluftflasche auf dem Rücken unter einem dicken Helm schwitzend ein Messer mit zwei Händen öffnen wenn er eines braucht? Aber ein Berufsfeuerwehrmann … der darf dann, ja?

Also ich glaube die Formulierung des dritten Absatzes von §42a ist genauso unqualifiziert und unangemessen wie die juristische Auslegung desselben seitens einiger Richter.

Liebe Regierung … wenn Ihr dem einen oder anderen deutschen Richter zu viel Freiheit in der Auslegung gewährt … wird diese Freiheit früher oder später von jemandem misbraucht. Bei dem oben berichteten Urteil - so es korrekt widergegeben wurde - empfinde ich das Urteil und die Begründung als willkürlichen Amtsmisbrauch. Das ist natürlich juristisch völlig unhaltbar, aber gefühlsmäßig ist es so: es fühlt sich falsch und unrecht an._

Was ich glaube

Ich glaube, dass das Gesetz fehlerhaft formuliert worden ist. Ein Einhandmesser ist nicht gefährlicher als ein feststehendes Messer. Schon gar nicht in der Abwägung der Nützlichkeit der Einhandbedienung in Handwerk (erlaubt) und Heimwerk (Risiko des versehentlichen Einbringens in den öffentlichen Raum) oder noch viel stärker im Ersthelfer- und Rettungs-Bereich. Die Klingenlänge ist hier Thema. Selbst wenn ein Einhandmesser problematischer wäre: hier wäre die international anerkannte 6cm-Grenze aus dem Verkehrsflieger-Bereich sinnvoll einsetzbar gewesen.

Ich nehme stark an, dass die Polizei hier Lobby-Arbeit geleistet hat. Aber ich kann nicht verstehen, wieso man dann einfach aufgehört hat, das Thema so zu betreuen, dass es beim Bürger auch ankommt. Ich finde das fahrlässig und zutiefst empörend.

Die rabiat-scharfe Auslegung durch die Gerichte dient dann auch wohl niemandem. Hier werden anständige Bürger kriminalisiert. Ohne Sinn, ohne Notwendigkeit, ohne Vorteil für die Allgemeinheit. Bei der Begründung wird nicht mal ansatzweise im Einzelfall bewertet, ob ein Einhandmesser einem Zweck dient im Kontrast zu einer Wahrscheinlichkeit dass es in diesem speziellen Kontext jemals zur Waffe wird/würde.

Man mache sich klar:

  • ein feststehendes Messer mit 12cm ist erlaubt
  • mit einer Arm-Manschette oder eine in die Jacke oder den Ärmel integrierten Scheide ist es unsichtbar und extrem schnell zu ziehen. Sogar ungleich schneller als ein Einhandmesser. Ob ich ein Einhandmesser in der Hand verberge und öffne oder ein feststehendes Messer ziehe macht wohl kaum einen relevanten Unterschied in einer eskalierenden Situation.
  • nur um Aggressoren von Einhandmessern auf feststehende, legale Messer umzustellen werden wichtige Werkzeuge und Rettungsmesser verboten, damit der Bürger kriminalisiert und in eine tiefe Rechtsunsicherheit gestürzt.

Die Regierung, die diesen Unfug entschieden hat, sollte sich schämen!

Die Polizei, welche ihre moralische und vermutlich auch rechtliche Informationspflicht mit unvollständigen Alibi-Informations nur formal erfüllt, sollte sich schämen!

Die Richter, welche die nicht grundlos formulierten Ausnahmen drakonisch restriktiv auslegen, sollten sich zwischen Polizei und Regierung setzen und noch mehr schämen. Warum? Weil insbesondere die Richter die Fehler der anderen Beiden hätten abmildern können. Ein sinnvoller Einsatz von Absatz 3 hätte hier viele Schmerzen vermeiden können. Aber die Damen und Herren dort hatten nichts Besseres zu tun, als die Fallgruben, die Regierung und Polizei dem Bürger gegraben haben auch noch mit Spießen zu bewehren.

Habt Ihr toll gemacht! Wirklich! Ein Beispiel, wie diese Republik Schritt für Schritt zu Grunde geht.

Meine Antwort

Wenn man mir Produkte zur Kenntnis bringt, werde ich die hier auflisten. Ich suche erlaubte Rettungsmesser und grosse Klappmesser (genau … ein Zweihand-Klappmesser darf so lang sein wie es will … ist erlaubt).

Ich selbst habe nun 2 Messer von Bergkvist (s. Amazon):

  • Bergkvist K10 - ist eine §42a-konforme Variante der K9-Einhandmessers. Kommt mit behördlicher Bestätigung in Form eines abgelehnten Feststellungsbescheid-Antrags. Hat einen Alu-Griff. 7CR17-Stahl. Klinge würde ich immer erstmal selbst schärfen. Gut genug für den gelegentlichen Gebrauch. Unter 25€.
  • Bergkvist K20 - auch §42a-konform mit Holzgriff (plus etwas Karbon-Look, vermutlich aber nur optisch), funktional mit Gurtschneider und Glasbrecher. Kommt ins Auto. Unter 25€.

Ich habe auch noch Einhandmesser. Wer sowas nun mal hat und sich nicht trennen will: es gibt kleine Stahlkassetten mit Zahlenschloss unter 20€, einige haben auch ein Stahlseil um es gegen Diebstahl zu sichern. Passt unter den Autositz oder in eine grosse Mittelkonsole. Sucht mal bei Amazon o.ä. nach “Auto Tresor” oder “Autosafe”. Da finden sich einige.

Achja: ich werbe nicht kommerziell. Ich denke aber darüber nach, hier eine Positiv-/Negativ-Liste aufzubauen, die das BKA ja nicht zusammenbekommt. Wenn sich jemand meldet, heisst das.

Wer andere Kandidaten für diese Liste hat … her damit. (email ist im Impressum).

Beim Heimwerken und Renovieren bevorzuge ich nun einen Klingenhalter für Trapez- und Hakenklingen der nicht einziehbar ist und verwende dann eine Gürteltasche (fragt einen Dachdecker, die haben alle sowas), kann man in jedem Baumarkt kriegen oder bei Jeff Bezos “Buchladen” oder ebay etc. pp..

Gefühlt statt geurteilt

Während ich diesen ganzen Kram schreibe … kommt mir immer wieder ein Bild in dem Kopf: hier wurde … “das Kind mit dem Bad ausgeschüttet”. Wie es ein Freund von mir ausdrücken würde: das ist ein Gesetz nach dem Motto “planlos … ziellos … drauf los”.

Würde ich meinen Job so machen wie diese Politiker, Polizisten und Juristen, wäre ich arbeitslos pleite und verhungert.

Armes Deutschland!

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